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Canossa

Leseprobe - 7. Kapitel


7. Kapitel
Reichsabtei Hersfeld 1057

Wer gibt Wasser meinem Haupt und einen Tränenquell meinen Augen, damit ich beklagen kann den Tod des erhabenen Kaisers Heinrich. Er war der Menschen Hoffnung, der Ruhm des ewigen Roms, die Zierde des Reiches und das Licht der Welt.

  

Obschon Winter und Lenz ins Land gegangen sind, seitdem unser Herrscher aus dem Tal der Tränen hinüber zu den Wonnen der Engel wanderte, so martert mich noch immer der Schmerz über den Verlust des Hortes von Gerechtigkeit und Frieden, Einigkeit und Stärke. Denn seit seinem Dahinscheiden herrscht Unfrieden im Reich: Alte Fehden brechen auf zwischen Männern, die das Wort Treue im Mund führen wie die Krähe ihr Krächzen und die dennoch zu jedem Verrat bereit sind, so er sich auszahlt mit Macht und Reichtum; Herzöge zücken ihre Schwerter gegen die bischöflichen Knechte Gottes, das Recht wird mit Füßen getreten, und wölfische Wildheit, in Schafskleidern versteckt, paart sich mit Widerspruch und Aufsässigkeit. Mit dem Propheten Hosea möchte ich ausrufen: Gotteslästern, Morden, Stehlen und Ehebrechen nehmen überhand, und eine Blutschuld kommt nach der anderen.
Wurden nicht sogar, kaum hatten wir den Kaiser zu Grabe getragen, feige Mordpläne gegen seinen zu Aachen gesalbten Nachfolger geschmiedet? Die Schwurhand möge denen abfallen, die sie zu erheben wagen gegen Heinrich, das reine Kind, den Sohn seines Vaters, den vierten König der ostfränkischen, der deutschen Lande und zukünftigen Kaiser des großen römischen Reichs. Denn sie schwächen die ewige Ordnung, verkörpert durch König und Kaiser an der Spitze eines Gebäudes, über dem lediglich der Allmächtige schwebt und die Fittiche seiner Gunst und Gnade ausbreitet.
Indes, wer bin ich, der ich es wage, mir die Stimme des Propheten in den Mund zu legen, mit wohlgesetzten Worten zu trauern und zu wehklagen! Ein kleiner Mönch nur, Lampert, geboren zu Bamberg, erzogen in der dortigen Domschule, ehmals Scriptor im Gefolge des verehrten Erzbischofs Anno von Köln, zum Diener des Herrn geweiht dortselbst – doch nun in die Ferne verbannt, ins Kloster Hersfeld, an einen Ort stiller Andacht und kontemplativer Würde, gelegen im lieblichen Tal der Fulda, umgeben von undurchdringlichen Wäldern, in denen nächtlich die Wölfe heulen, die Bären ihre Krallen wetzen und der mächtige Auerochs durchs Dickicht bricht. So sehr ich den Geruch der Weisheit in der hiesigen reichhaltigen Bibliothek zu schätzen weiß, so sehr fühle ich mich nach alldem, was im Laufe des letzten Jahrs geschah, unwürdig des heiligen Gewands. Aus diesem Grund geht mein Streben dahin, Buße zu tun und mich auf einer Pilgerfahrt ins zwölftorige Jerusalem reinzuwaschen von meinen Sünden.
Doch will ich nicht von mir sprechen, von meinen Verfehlungen, dem wollüstigen Verlangen, dem ich nachgab und das zu bestrafen der Allmächtige sich unverzüglich anschickte; nicht vom Mönch Lampert soll die Rede sein, sondern von den beklagenswerten Absichten, die ans Licht der Tat drängten, nachdem die starke Hand des Herrschers der Zeitlichkeit entrückt war.
Noch während bei der Grablegung des Kaisers das Gloria erscholl im hallenden, himmelweisenden Dom zu Speyer, wurden bereits schändliche Pläne ersonnen, den jungen König Heinrich zu beseitigen. Es waren die sächsischen Adligen, für ihre Streitlust und Aufmüpfigkeit bekannt, denen weder Ehre und Treue etwas galten noch die Unschuld eines jungen Lebens. Bald wußten dies alle, die willig waren, ihr Ohr den Gerüchten zu leihen, die von Mund zu Mund eilten.
Es finden sich gleichwohl auch unter und neben den Sachsen Fürsten, denen der Treueid heilig ist. Sie befürchteten einen Aufstand in den nördlichen Gauen des Reichs, gar das Ungewitter eines Bürgerkriegs, das die Menschen im Kampf dahinmäht wie Hagel die reifen Saaten. Um dieses Unglück im Keim zu ersticken, rieten sie dem König, nach Sachsen zu eilen, die Aufrührer zu stellen und zu bestrafen. Der Schwabe Graf Rudolf von Rheinfelden, einer der engsten Berater der Kaiserin, riet zu diesem Schritt, ebenso befürwortete ihn Anno, der Erzbischof von Köln und Erzkanzler des Reichs, in dessen Diensten ich zu jener Zeit noch stand. Die Kaiserin, erpicht auf den Rat der Getreuen und als schwaches Weib allzu leicht bereit, ihn auszuführen, brach nun also mit dem Hofstaat nach Goslar auf, wo sie sich auf den salischen Gütern mit Silbermünzen und Kriegsmannen versorgen wollte, um von dort nach Merseburg weiterzuziehen. Hier sollte ein klärendes, ein reinigendes Fürstentreffen stattfinden.
Ich fragte mich damals bereits, ob Erzbischof Anno, der beanspruchte, für die Erziehung des königlichen Knaben Sorge zu tragen, sich der Gefahr bewußt war, der Heinrich ohne Zwang entgegenzog. Überzeugt bin ich davon, daß Graf Rudolf von Rheinfelden eigene, ja, eigensüchtige Ziele verfolgte. Starb der König durch Mörderhand, durfte kein Verschwörer, also kein Sachse, zu seinem Nachfolger gewählt werden, es sei denn, man hätte den Blitz Gottes durch solch ruchloses Vorhaben herabbeschworen. Rudolf jedoch, bisher unbescholten und treu, stünde bereit – und da Gottfried der Bärtige, der lange Zeit Macht und Ansehen unter den deutschen Fürsten genoß, weit entfernt auf Canossa, dem Stammsitz seiner Gemahlin, weilte, hätte Rudolf nach der Krone greifen können.
Ich, ein einfacher capellanus, sah Rudolfs Augen blitzen, hörte seine herrischen Befehle, vernahm sogar die Einflüsterungen, mit denen er der Kaiserin und dem königlichen Knaben Gift ins Ohr träufelte und sie auf den Weg ins Sachsenland lockte. Er selbst wolle, so ließ er verlauten, ein Heer sammeln und dem Zug des Hofes folgen, um jederzeit bereit zu sein, das Leben und die Rechte des Königs zu verteidigen.
Wir hatten Goslar bereits hinter uns gelassen und näherten uns Quedlinburg. Ein hoch in den Lüften fliegender Adler hätte von allen Himmelsrichtungen kleine und große Heerhaufen erspäht, die nach Merseburg zogen, als gelte es, unverzüglich und vor Ort das Schicksal des Reichs auszufechten. Staub lag in der trüben Juniluft. Die Sonne brannte hernieder, und kein Schatten, kein kühles Naß brachten Erquickung. Die Kaiserin ließ sich in einer Sänfte tragen, weil ihr das Reiten zu mühsam geworden war und eine Kutsche zu sehr schaukelte. Heinrich indes blieb tapfer im Sattel seines kleinen Pferdes, sang, wie so häufig, die traurigen Lieder seiner Amme oder rief seinem Hund einen Befehl zu. Wir alle sehnten den Abend herbei, ein kräftiges Mahl, einen Becher klaren Wassers, einen Humpen köstlichen Biers und ein weiches Lager.
Da geschah vor meinen Augen – weil ich in der Spitzengruppe unseres Zuges ritt, war ich Zeuge – ein Ereignis, welches das Wirken des allmächtigen Herrschers sogar dem ungläubigsten Thomas bewies. Der Zug des Königs traf mit einer Gruppe Schwerbewaffneter zusammen, die Graf Otto von der sächsischen Nordmark anführte, ein Mann aus unebenbürtiger Ehe und nicht zu verwechseln mit Graf Otto von Northeim. Neben mir ritten Graf Ekbert von Braunschweig, der Vetter des Königs, und sein Bruder Bruno mit einigen ihrer Mannen, denen als Vorhut des Hofstaates der Schutz von König und Kaiserin oblag. Zuerst glaubte niemand an den Plan einer schandbaren Freveltat gerade hier, auf offenem Feld. Otto jedoch, in schimmernder Rüstung, galoppierte mit lautem Geschrei und Schilderschlagen mitsamt seiner Truppe so nahe an uns vorbei, daß die Pferde zu scheuen drohten. Ekbert fluchte, Bruno schüttelte die Faust.
»Wo ist der König?« hörten wir Graf Otto rufen, »ich will ihm meine Reverenz erweisen.« Höhnisch lachte der Ehrlose und hob den Arm.
Wie eine Horde ungezügelter Slawen umtobten uns seine sächsischen Reiter, preschten direkt auf uns zu, als wollten sie uns attackieren, doch knapp vor uns stemmten die Pferde ihre Vorderhufe in den Sand.
»Hoch dem König!« grölten die Sachsen.
Wolken von Staub stiegen auf. Ich schaute mich um, sah den königlichen Knaben, wie er seiner Mutter, die erschrocken den Kopf aus der Sänfte schob, zuwinkte und seinen wild bellenden Hund Fidus zu beruhigen versuchte. Erzbischof Anno entdeckte ich nicht.
»Der Hurensohn möchte an meinem Schwert riechen«, rief Bruno seinem Bruder zu.
Ekbert beugte sich zu mir herüber, damit ich ihn in dem Höllenlärm besser verstehen konnte. »Glaubst du, sie wagen hier und jetzt ihren verruchten Plan?« Zum ersten Mal sprach er in aller Klarheit aus, was viele befürchteten, doch niemand zu äußern gewagt hatte.
»Lang lebe die Kaiserin!« brüllte die Bande und zog ihre Schwerter.
Mir wich das Blut aus dem Gesicht. Auch Ekbert schien erkannt zu haben, daß die Sachsen ihre schändliche Tat an Ort und Stelle zu erfüllen gedachten.
»Hast du eine Waffe?« rief er.
Ich schüttelte den Kopf.
Er warf mir seine Streitaxt zu. Ich fing sie auf. Angetrockenes Blut klebte an der schartigen Klinge. Wußte ich mich damit zu wehren? Hätte ich, der ich das Gelübde abgelegt habe, mich ihrer bedient?
Haarscharf an uns vorbei galoppierte Graf Otto, sein Schwert in der Hand, in brüllendem Gelächter. »Lang lebe der König!«
»Ehrloser Hundsfott!« schrie ihm Bruno nach.
Da riß Otto sein Pferd herum. Er lachte nun nicht mehr. »Mit dir habe ich seit langem abzurechnen, aasfressende Krähe. Du bist der erste, mit dem meine Klinge Bekanntschaft macht.«
Die Streitaxt hinderte mich daran, die Arme zu heben und Frieden zu beschwören.
»Du Bastard des Teufels!«
Gleichzeitig gaben Otto und Bruno ihren Pferden die Sporen. Sie galoppierten aufeinander zu, als sollten sich die starken Streitrösser gegenseitig in den Boden rammen. Kaum eine Hand hätte zwischen den Beinen der Streitenden Platz gefunden, als sie aneinander vorbeistürmten, die Schwerter in den Himmel gereckt, den Schild vor den Körper gehalten. Unverzüglich wendeten sie.
Mittlerweile bildeten die Reiter aus der Nordmark ein Halbrund hinter Otto, und hinter uns schlossen immer mehr Mannen des Königs sowie des Erzbischofs von Köln auf. Als sich Heinrich, unser mutiger König, zwischen den Pferdeleibern hindurchzwängte, nahmen einige von Ottos Männern, von Fidus verbellt, ihren Bogen in die Hand.
Selbst heute noch, zu später Stunde nach dem abendlichen completorium, während draußen, jenseits der Klostermauern, eine Nachtigall ihr Lied anstimmt und ihre Brüder, unschuldige Geschöpfe im Hain des Herrn, in ihren Lobgesang einfallen, erfaßt mich zitternde Angst vor der lodernden Flamme des Hasses, die da unerwartet vor uns in den Himmel schoß, Angst desgleichen vor der Gefahr, die dem König drohte. Die Pfeile waren für ihn gedacht, und vermutlich hätten sie auch mich nicht verschonen sollen.
»Was ist hier los?« Die helle Stimme des Königs war deutlich zu vernehmen, weil alle Reiter, die wie feindliche Truppen einander gegenüber standen, die Luft anzuhalten schienen.
Bevor irgendeiner eine Antwort geben konnte, preschten die beiden Kampfhähne erneut aufeinander zu. Die Schwerter schlugen dumpf auf die Schilde, die Pferde wirbelten herum, Erde spritzte empor. Die Klingen klirrten, die Tiere wieherten schrill, Funken stoben, als die Kettenhemden getroffen wurden. Schon bluteten Brunos Gesicht und Ottos Hand. Wie auf Befehl trennten sich die Rösser, und ich hoffte, die beiden Männer beendeten ihren Kampf. Doch sie rissen lediglich ihre Pferde herum und galoppierten erneut mit nach vorne gestrecktem Schwert aufeinander zu.
Ehe wir uns versahen, lagen beide im Staub, die Körper zuckten, Blut sickerte aus Brunos Kettenhemd, unter dem Kinn, und Otto fehlte ein Teil seines Kopfs. Der Helm rollte seinen Männern vor die Füße. Ein letztes Röcheln, Blut sprudelte wie aus einer Quelle, und selbst ich, der neben ihnen stand, konnte ihnen nicht mehr die Sterbesakramente spenden. Schon kniete Ekbert neben seinem Bruder, auch der König sprang hinzu. Ich ließ die Streitaxt fallen, hob meine Hand zum Segenszeichen. Bruno sprach ein letztes Wort der Tapferkeit, dann brachen seine Augen.
Ich hatte den König in die Arme genommen, sein Gesicht in meinem Reitkittel geborgen, um ihm den Anblick des grausamen Todes zu ersparen. Die Sachsen waren abgesprungen und zerrten ihren Anführer zur Seite, bedeckten seinen Leichnam. Um uns stummes Entsetzen und lautes Wehgeschrei. Unterdessen waren die Kaiserin und mit ihr Anno erschienen, und ihre Augen weiteten sich, als sie den Vetter des Königs in seinem Blut liegen sahen.
Graf Ekbert schüttelte die Faust. »Verschwörer! Meuchelmörder! Ihr werdet dafür einen hohen Preis zahlen!«
Die Sachsen beachteten ihn nicht. Stumm legten sie ihren toten Anführer auf sein Pferd und machten sich aus dem blutroten Staub. Für sie hatte Gott sein Urteil gesprochen.
Hätten unsere Ritter sie nicht zum Kampf zwingen, hätten sie nicht den Angriff auf des Königs Mannen rächen müssen?
Graf Ekbert, über seinen Bruder gebeugt, benetzte ihn mit seinen Tränen. Weder Erzbischof Anno noch ein anderer Berater der Kaiserin gab den Befehl zum Angriff. So durften die Helfer des Verräters des Weges ziehen, ohne zur Rechenschaft gezogen zu werden. War dies ein folgenreiches Zeichen der Schwäche?
Noch heute möchte ich für die Seele des tapfren Bruno beten, der ohne die Segnungen der Kirche sein Leben in Treue hingab für das Heil unseres Königs. Sein Scharfsinn erkannte augenblicklich die schurkische Absicht des ehrlosen, zum Königsmord bestimmten Sachsen.
Wir trafen abends im Kloster Quedlinburg ein, wo wir von der jungen Äbtissin Beatrix, einer Halbschwester des Königs, freundlich aufgenommen und wohlversorgt wurden. Bevor wir uns an Speis und Trank laben durften, fanden wir uns in der Kirche zusammen und dankten dem gnädigen Vater im Himmel für das gütige Geschick, mit dem er das Leben des Königs geschützt hatte. Heinrich kniete zwischen seiner Mutter und Anno, die beide bleich waren, als hätte die Sichel die kalte Klinge auf ihre Wangen gelegt. Er selbst wirkte auf eine trotzige Weise in sich gekehrt, sprach mit niemandem, starrte vor sich hin; nicht einmal die Lippen bewegten sich in stummem Gebet.
Als Heinrich bereits schlief, setzten sich Erzbischof Anno, Graf Ekbert und die anderen Verwalter der Regierungsgeschäfte mit der Kaiserin zusammen, um über das Geschehen und seine Folgen zu beraten. Eine Bestrafung der Hintermänner forderte allein Graf Ekbert; die Kaiserin fürchtete die Flammen eines wütenden Bürgerkrieg, und Erzbischof Anno betonte, es habe sich vermutlich um eine private Fehde der beiden toten Kontrahenten gehandelt, ein Attentat auf den jungen König sei nicht geplant gewesen. Auch er wolle weiteres Blutvergießen vermeiden. Allerdings sollten sie nicht weiter nach Merseburg reiten, sondern nach Goslar zurückkehren, um dort das Pfingstfest zu feiern.
So geschah es.
Treuebekundungen aus allen Teilen des Reichs erreichten die Kaiserin, die sich häufig zu stillem Gebet in ihre Kapelle zurückzog. Der König, der sich nicht von seinem jungen Hundefreund trennen mochte, blieb lange Zeit verstummt, obwohl sich Erzbischof Anno persönlich um ihm kümmerte und erklärte, der allmächtige Vater im Himmel habe ein Zeichen gesandt, daß die Kindheit des Königs vorbei sei. Nun beginne die Zeit des Lernens. Heinrich dürfe nicht mehr in den Gemächern seiner Mutter schlafen, sondern müsse zu ihm übersiedeln.
Als die Kaiserin von Annos Worten erfuhr, eilte sie zu ihm und herrschte ihn in meinem Beisein an: »Heinrich bleibt bei mir, der Regentin!«
»Als Erzkanzler des Reichs bin ich für die rechte Erziehung des Königs verantwortlich. Und für seinen Schutz.« Annos Stimme blieb abweisend und kalt.
Noch nie hatte ich Kaiserin Agnes so außer sich vor Zorn erlebt. Trotz ihrer zarten Stimme schrie sie: »Für seinen Schutz? Wo blieb dein Schutz, als die Sachsen ihn ermorden wollten? Du rittest mit deinen Leuten feige am Ende des Zuges. Vielleicht hast du sogar ... wolltest du ...«
Sie unterbrach sich, als sie sah, wie sich Annos Gesicht verzerrte. Mit einem gänzlich unchristlichen und für einen Erzbischof unwürdigen Fluch stürzte er vondannen.
Da stand ich nun allein mit der Kaiserin, die sich nur mühsam beruhigte. Was sollte ich tun? Als kleiner Scriptor durfte ich nicht wagen, ein besänftigendes Wort an sie zu richten. Sie indes ergriff meinen Arm, Tränen in den Augen, und bat mich um Vergebung. Ich stammelte hilflos Worte der Heiligen Schrift. Die Kaiserin schien sich in diesem Augenblick an unsere erste Begegnung zu erinnern: Sie fiel in die Sprache ihrer Heimat und flüsterte: »Ihr, die ihr keine Kinder haben dürft, könnt eine Mutter nicht verstehen.«
Mein Mund verschloß sich mir; denn wie hatte sie unrecht!
Die Glocke ruft mich zum mitternächtlichen Gebet. Gloria in excelsis deo!


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