Als
junger Mann begann er
nach dem Studium der
damals wichtigen
modernen Lyriker
Gedichte zu schreiben
und konnte das erste im
Alter von zwanzig Jahren
veröffentlichen. Dann
änderten sich Zeiten und
Geschmack, man erklärte
den Autor sogar für tot.
Doch in den
Siebzigerjahren des
vorigen Jahrhunderts
erwachte er wieder aus
seiner
Scheintoderstarrung.
Auch unser mittlerweile
nicht mehr ganz junger
Mann schrieb Erzählungen
und Romane, ein
Politstück. Ein paar
Erzählungen wurden
veröffentlicht, auch das
Stück aufgeführt, aber
die Romane blieben
Nullnummern für die
Schublade. Einer
schrammte haarscharf an
einer Veröffentlichung
vorbei, aber beinahe
macht bekanntlich keine
Mücke tot. Der
unermüdliche Autor
begriff damals schon,
dass er literarisch
zwischen den Stühlen saß
und dass es dort nicht
unbedingt bequem zugeht.
Es folgten Brotberuf,
Auslandsaufenthalte,
brüchige Beziehungen –
wer strebend sich
bemüht, kann dennoch am
Berg scheitern. Der
Autor wechselte eine
Weile ins
Wissenschaftsfach,
verfasste dennoch
weiterhin fiction
zwischen E und U, meist
für die Schublade.
Mit
non-fiction
hatte er mehr Glück: Er
verfasste und
veröffentlichte
wissenschaftliche
Aufsätze, literarische
Essays, Buchrezensionen,
Reiseberichte, Ratgeber.
Sein Buch zum
amerikanischen creative
writing, zum
Handwerk des Schreibens,
stieß erst einmal auf
ein ablehnendes „Braucht’s das?“.
Doch bald darauf änderte
sich die Verlagsdenke:
Plötzlich wurde es ihm
aus der Hand gerissen
(siehe Link). Kreativ
schreiben erschien
1994 und verkauft sich,
mittlerweile in einer
erweiterten Neufassung,
noch immer gut: Ein
Standardwerk. Wer hätte
das gedacht.
Und
dann machte er sich an
einen Stoff, der ihn
schon lange faszinierte
und den er bereits
Jahrzehnte zuvor aus der
Provence mitgebracht
hatte. Eigentlich ein
Vater-Sohn-Drama in
historischem Gewand.
Doch schließlich wurde
eine tragische
Geschichte aus der
Spätrenaissance und den
Vorboten der
Religionskriege daraus,
ein Epochenporträt. Die
Zeit, Ende der
Neunzigerjahre, war
günstig, sein Agent
verfügte über den
richtigen Kontakt, der
Verlag hatte gerade
einen historischen
Bestseller
veröffentlicht und
schaute sich nach guten
Stoffen um. Aus dem
Autor Fritz Gesing wurde
Frederik Berger. Sein
Roman kam auf den Markt,
schaffte aus dem Stand
zu seiner Überraschung
den Sprung auf
Bestsellerhöhen, er war
nun als Autor
anspruchsvoll-unterhaltender
historischer Romane
etabliert, der nächste
Roman verkaufte sich zur
Überraschung der
Verlagsleute noch
besser. Dann erschien
nahezu jedes Jahr ein
weiterer Roman. Auch im
Alter von sechzig und
mehr Jahren gelang es
dem „Berger“ noch, den
Stein bis hoch zum
Gipfel zu wuchten. Doch
unten am Berg zogen die
Karawanen weiter, mit
leichter Kost beladen.
Die Verkaufszahlen der
letzten Romane zeigten,
dass er mit seinen
Themen, Epochen und
Darstellungsformen nicht
mehr recht reüssieren
konnte. Es gibt viele
Wege zum Gipfel, und am
Fuße des Bergs liegt
auch nicht nur ein
Stein. Also wandte er
sich neuen Themen,
Zeiten, Figuren zu.
Weiterhin anspruchsvoll,
aber unterhaltend. Er
kehrte zugleich zu
seinen Wurzeln zurück.
Zeitgeschichte,
Gegenwart. Themen:
Familie, Kindheit,
Altersprobleme. Aber der
Wechsel sprach gegen die
ursprüngliche „Akquise“,
und die Quote forderte
Anpassung an etwas, was
er als Niveauverlust
empfand und verweigerte.
Die
Folgen: Danke, wir haben
schon. Außerdem hieß es:
Wir sind an Literatur
von und für Frauen
zwischen 25 und 45
interessiert. Weniger an
der Literatur alter
weißer deutscher Männer.
Man muss das verstehen
und sich aufs Altenteil
zurückziehen. Hinzu kam
die Corona-Blockade mit
der Folge, dass man für
die Schublade
beziehungsweise die
Festplatte oder den
Stick schreibt.
Immerhin: Kreativ
schreiben, seit
ein paar Jahren in einer
erweiterten Fassung,
verkauft sich noch immer
gut.
Mittlerweile
lebensgeschichtlich
angegraut, schrieb er
seine Autobiografie, die
er mit der Geschichte
seiner Familie verband
und einer historischen
Chronologie der
Nachkriegszeit bis in
die jüngst vergangenen
Jahre. Er veröffentlicht
wieder Aufsätze übers
Schreiben, bereitet ein
Sachbuch über die
italienische Renaissance
vor, nicht allein für
Frauen in den besten
Jahren, die meist mit
Beruf, Beziehungen und
Kindern beschäftigt
sind, sondern für alle
Italien- und
Geschichtsinteressierten.
Er
fotografiert und
bearbeitet seine alten
Fotos.
Er
wartet auf das
Corona-Ende, um wieder
seine langen Reisen
aufzunehmen.
Die
Zukunft wird
übersichtlich.
Albert
Camus‘ Schlusssatz ist
unvergessen und muss als
Botschaft verstanden
werden: „Man muss sich
Sisyphos als einen
glücklichen Menschen
vorstellen.“